Wie das dänische Nationalmuseum mit “Langeweile-Buttons” mehr Besucher lockt
Nachdem der 47-jährige Rane Willerslev, Professor im Fach Sozialanthropologie und früherer Direktor des kulturhistorischen Museums der Universität Oslo, im Sommer 2017 Leiter des dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen wurde, widmete ihm das dänische Staatsfernsehen DR eine 6-teilige Homestory. “Was passiert, wenn ein dänischer Indiana Jones das größte Museum des Landes übernimmt?”, fragte der Fernsehsender. Unter anderem sagte Willerslev, dass er die Besucherzahlen, gerade auch in der Dauerausstellung des Museums, steigern wolle und dachte laut über eine Rutsche nach, die vom zweiten Stock des Museums im historischen Prinzenpalais hinunter ins Erdgeschoss führen könnte.
Wie lockt man Familien in die Dauerausstellung?
Die Rutsche gibt es (noch) nicht. Aber im März 2018 führte das Museum “Langeweile-Buttons” in der Dauerausstellung ein (Mehr Infos auf Englisch). Der Nordea-Fond unterstützte das Projekt mit 5 Millionen DKK (669540 €). Ich habe sie mit der Familie ausprobiert. Am Eingang ins Museum bekamen die Kinder eine Karte über das Museum, auf der die verschiedenen Knöpfe eingezeichnet sind. Die pinkfarbenen gibt es immer, gelbe sind Aktivitätsstationen, wo man sich z. B. verkleiden kann, und die lilanen sind “lebendige” Knöpfe, an denen Museumspädagogen zur Stelle sind.
Das Museum ist riesig, wir fanden nur einige der Knöpfe. Einmal schoss eine historische Kanone ein virtuelles Loch in die Wand und ein feindliches Schiff schoss zurück. Einmal erwachte eine Ritterstatue samt Drachen per Lichteffekt zum Leben. Und der “lebendige Langeweile-Knopf” entpuppte sich als Gruselgeschichte über ein dunkles, historisches Himmelbett und das Gespenst Sofie.
Schon seit langer Zeit gibt es im Nationalmuseum ein Kindermuseum, “Børnenes Museum”, im Untergeschoss. Dort dürfen die Kleinsten toben, klettern, sich verkleiden und alles anfassen. Originale und viel Erklärung findet man dort nicht. Als Elternteil fand ich, dass es zwar ein spannender Indoor-Spielplatz mit historischem Thema ist, dass man aber – nachdem die Kinder 1-2 Stunden dort getobt haben – kaum noch etwas von der ständigen Ausstellung zu sehen bekommt. Die Kinder erst recht nicht. Und genau da liegt das Problem, dass das Nationalmuseum jetzt mit neuen Konzepten und Langeweile-Knöpfen in der Dauerausstellung zu lösen sucht.
Spar-Zwänge und gesellschaftliche Debatten über die dänischen Museen
Das dänische Nationalmuseum und viele andere dänische Museen befinden sich unter finanziellem Druck. Die dänische Regierung hat beschlossen, die staatlichen Zuschüsse nach neuen Prioritäten zu verteilen und das Nationalmuseum muss beispielsweise zwei Prozent seines Budgets pro Jahr einsparen. Von 2005 bis 2016 gab es freien Eintritt ins Nationalmuseum, jetzt muss auch hier gespart werden und ein Eintrittsticket kostet 95 DKK (knapp 13 €). Gerade wurden eine der vorher 20 Außenstationen (Brede Værk) geschlossen und 34 Mitarbeiter entlassen. Das Nationalmuseum hatte 2018 ein Budget von 378,3 Mio. DKK (50,6 Mio. €), wovon 211,4 Mio. DKK (28,3 Mio. €) staatliche Zuschüsse waren. Den Rest verdiente das Museum, das rund 700 Mitarbeiter beschäftigt, durch Eintrittsgelder, Verkauf in den Museumsläden und externe Denkmalpflegeaufgaben.
Noch 2016 verzeichnete das Nationalmuseum im Prinzenpalais in Kopenhagen 429.119 Besucher. Nachdem im zweiten Halbjahr 2016 wieder Eintrittsgelder erhoben wurden, fiel die Besucherzahl 2017 auf 351.373 – weit weniger als das Kunstmuseums ARoS in Aarhus (658.086), das Louisiana Museum for Moderne Kunst bei Kopenhagen (657.293) und das Freilichtmuseums Den Gamle By in Aarhus (571.167) vorweisen können. Rechnet man allerdings auch alle Außenstationen ein, besuchten 2017 insgesamt 1,7 Millionen Menschen das Nationalmuseum (Quelle, Kristelig Dagblad, 3.5.2018).
Die dänische Kulturlandschaft befindet sich in Aufruhr. In den vergangen Monaten gab es nicht nur hitzige Debatten über die Bedeutung von musealem Erfolg und von Besucherzahlen, sondern auch darüber, welche Museen wie viel staatliche Förderung erhalten sollten, wie wichtig freier Eintritt ist und wie “gesund” es für Museen sei, auch ökonomisch planen zu müssen.
Der Langeweile-Killer wirkt
Der Langeweile-Knopf scheint indessen zu wirken. Der Verkauf von Jahreskarten stieg im Nationalmuseum mit 500 Prozent (Quelle) und auch die Besucherzahlen scheinen zu steigen, wenn auch für 2018 noch keine Zahlen vorliegen. Der Knopf ist laut Museum nur der erste Schritt für weitere umfassende museumspädagogische Neuerungen und es bleibt spannend, die Entwicklungen mitzuverfolgen.